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Junge Künstler - Siegfried Krepp
Der junge Bildhauer Siegfried Krepp, Jahrgang 1930, der an der Weißenseer Kunsthochschule studierte und durch die Lehre von Balden, Grzimek, Drake und Worner gegangen ist, stellt sich auf der Ausstellung junger Künstler, die gegenwärtig im Pavillon der Kunst zu sehen ist, mit einem kessen Berliner Mädchen vor. Krepp beschäftigt sich gern mit der Verbindung des Plastischen zur Architektur. Er ist ein agiler, lernbegieriger junger Künstler, der sich's nicht leicht macht.
Der junge Bildhauer ist ein unternehmungslustiger, freudiger Experimentator, der immer dem Material abzuringen bereit ist, was es nur hergibt. Er erforscht es förmlich, um die material- und sujetgemäßeste Formensprache zu finden. Seine Phantasie kommt ihm dabei zur Hilfe. Da entstehen für VEB Stern-Radio lustig tollende Kindergruppen. Siegfried Krepp ringt hier noch um die statische Bewältigung des Dynamischen. Im Atelier macht sich der Entwurf eines Märchenvogels breit, der für eine Schulwiese vorgesehen ist. Die Plastik wird in Beton gegossen und die Farbe, die der Künstler als schmückendes Element verwenden will, soll, ornamental gegliedert, der kindlichen Phantasie entgegenkommen.
Noch ist freilich abzuwarten, wie es ausgeht. Aber Krepp hat originelle Ideen, und das ist zunächst ein mal wichtig. Daneben sehe ich große plastische Arbeiten, wie etwa eben jenes derzeit ausgestellte Berliner Mädchen, oder die wirklich rustikal empfundene Frau vom Lande. Auch Kleinstplastiken sind in seinem Atelier zu finden, die die Erlebnisse des Künstlers in konstruktiv und kompositionell gelösten plastischen Arbeiten nacherlebbar machen. Dabei probiert Krepp alle Mittel, um das Wesen auch mit Hilfe der Materialmöglichkeiten auszudrücken. Sehr reizvoll sind die Zeichnungen Siegfried Krepps, denen man die Hand des Bildhauers ansieht. Ob es sich nun um das markante Erfassen des plastisch-räumlichen Volumens eines Kopfes oder um das schnelle Umreißen einer figürlichen Erscheinung handelt, immer geht es dem jungen Bildhauer um das Wesen des Menschen, das in plastischen Formen festgehalten werden soll.
L. Tharla
- ohne stilistische schablone
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Ohne stilistische Schablone
Zum Schaffen des Bildhauers Siegfried Krepp
Heinz Worner
Unter der jungen Bildhauern der Republik gehört Siegfried Krepp zu den Interessantesten und Vielversprechendsten. Ein Erlebnis eigener Art war es für mich, als ich ihm gelegentlich auf einer Reise nach Neubrandenburg auf einer Bergkuppe am Tollensesee begegnete, wo er eine große Figurengruppe in Gips aufbaute. Hier, an einem der schönsten landschaftlichen Punkte Mecklenburgs, arbeitete er unter freiem Himmel an der Gestaltung zweier Bäuerinnen. Im weiten Umkreis war niemand zu sehen. Nur grüne Hänge, sich anschmiegende Felder und weiter unten der große See. Mühsam hatte er die geforderten Materialien, Bretter, Eisen und Säcke mit Gips herbeigeschafft. Wasser holte er in einem der entlegenen Häuser. Einen Sommer grüßten die weißen Silhouetten der Figuren über die Landschaft, dann wurden sie mit einem Pferdewagen zur Straße und von dort mit einem Lastauto in seine Berliner Werkstatt gebracht, um vom Künstler weiter ausgeführt zu werden.
Dies alles geschah ohne äußeren Auftrag, allein aus dem Bestreben, die Wirkung einer Figurengruppe auf weit übersehbarem Raum zu studieren und damit neue Erkenntnisse für seine Arbeit als Bildhauer zu sammeln.
Dieses Beispiel scheint mir charakteristisch für das ernste künstlerische Bemühen des jungen Bildhauers, für seine echte schöpferische Unruhe, die sich mit dem Erreichten nicht leicht zufrieden gibt und konventionelle Schranken zu überwinden sucht. Das bestätigt auch ein Besuch im Atelier des Künstlers. An jedem nur möglichen Platz finden wir hier Versuche, eben begonnene und längere Zeit zurückliegende, kleine Studien und größere Arbeiten. Da ist neben der schon genannten Gruppe der Bäuerinnen die für einen Park gedachte Großplastik einer Liegenden; da steht die im wesentlichen vollendete Büste Romain Rolland neben einer eben erst begonnenen großen weiblichen Figur. Ein zähes Ringen um gestalterische Vollendung wird dem Besucher bewusst. Begonnenes wird wieder verworfen, neue Erkenntnisse zwingen zu neuen gestalterischen Lösungen. Man spürt: leicht macht es sich der jetzt fünfunddreißigjährige, aus Lauchhammer gebürtige Sohn eines Metallschleifers wahrlich nicht mit seiner Arbeit.
Viele Vorurteile und Hemmnisse galt es zu überwinden, um vom Maschinenschlosser und Dekorateurberuf 1951 nach Berlin zur Arbeiter- und Bauern-Fakultät und auf die Hochschule für bildende und angewandte Kunst zu kommen. Auch hier war es nicht leicht, unter den oft widersprüchlichen Auffassungen die eigene Orientierung zu finden. Aber der künstlerisch-handwerklichen Ausbildung standen solide, fundamentgebende Kräfte zur Verfügung. Theo Balden und Waldemar Grzimek waren seine Lehrer. Später, als Meisterschüler der Akademie wurde es Fritz Cremer. Eines der ersten Werke, mit denen der junge Künstler in der Öffentlichkeit Beachtung fand, war sein Berliner Mädchen. Unter den vielen Darstellungen des weiblichen Körpers, die seit dem Kriege in den Ateliers der Künstler entstanden sind, gehört es zweifellos zu den liebenswertesten und populärsten. Er verzichtet keineswegs auf den spezifischen Reiz, mit dem uns dieses Thema in überquellender Sinnlichkeit reichenden Auffassung in der zeitgenössischen Plastik entgegen tritt. Aber während sich dabei die Aussage zumeist in den Grenzen des seither überlieferten - Ewigweibliche - erschöpft, versuchte er seiner Plastik noch etwas anderes mit auf den Weg zu geben, etwas, was wir heute bei vielen unserer Frauen finden und schätzen gelernt haben: Selbstvertrauen. Fest und sicher steht sein Berliner Mädchen da.
Nicht weit von dem inmitten alter Mietshäuser liegenden Standort dieser Plastik wurde in den Anlagen des Berliner Friedrichshains seine Schwimmerin aufgestellt. Sie unterscheidet sich in ihrer passiven Haltung, der weichen Gelöstheit der Glieder, deutlich von der aggressiven ganz unserer Zeit verhafteten Erscheinung des „Berliner Mädchens“. Sie zeigt Krepps Bestreben, plastische Erkenntnisse zu vertiefen, allgemein Gültiges zu erreichen; wie der Künstler selbst betont, das kurzlebig, auf den Augenblick Bezogene zu vermeiden. Überlegungen solcher Art sind auch bei dem großen weiblichen Torso erkennbar an dem er gegenwärtig arbeitet.
Diesen bejahenden Grundzug echter Volkstümlichkeit besitzt seine Gruppe „Turnende Jungen“, die etwa gleichzeitig mit den eben genannten entstand. Ein gewagtes aber durchgestandenes Unternehmen, das viel Beifall fand und immer wieder findet. Gefragt, was ihn zu diesem in eigenen Auftrag entstandenen Werk veranlasst hatte, sagt Krepp: Es ist das Recht der Jugend und allem was jung ist zu experimentieren“....
Am Schwanenteich in Rostock fand ein Abguss dieser Gruppe Aufstellung....
In seinem für den Eingang der Radrennbahn Berlin-Weißensee geschaffenem Relief -Friedensfahrer- versuchte Krepp, sich der Strenge des Baukörpers einzuordnen. Unter Verzicht auf kleinliche Details fügen sich die Figuren der Senkrechten des Turmes an, während die Faltigkeit der Bekleidung die waagerechte Gliederung des Mauerwerkes aufnehmen. Diese klare rhythmische Ordnung dient in sinnvoller Weise der inhaltlichen Aussage, betont das dynamische Wesenselement des Sports.
Das Streben des Künstlers, sich nicht in stilistischen Schablonen einzuengen, sondern für die inhaltliche Aussage die adäquate Form zu finden, zeigt sich besonders in seinen Porträts, unter denen das Bildnis Bert Brechts besondere Erwähnung verdient. Brecht plastisch zu gestalten, wurde schon des Öfteren unternommen und wird noch oft geschehen. Krepp versucht im Bildnis des Dichters den Wesenszug der Heiterkeit und Ironie hervorzuheben. Schalkhaft, etwas listig lächelnd schaut er wie ein Lehrer auf uns, als erwarte er die Antwort einer gestellten Aufgabe. Der Betrachter spürt das Vergnügen des Bildhauers, seine Mittel im Dienste der künstlerischen Aussage einzusetzten. Wir sind überrascht, wie abrupt er Formen gegeneinander stellt, tiefe Löcher als Augenhöhlen in den Schädel schneidet, kantig und griffig die Flächen behandelt, wie z.B. Augenlider gleich Knöpfen in den Tiefen sitzen und bei allem eine große Geschlossenheit der Form erreicht wird. Die scheinbare Negation des Unwesentlichen und die Betonung des Typischen führt zu einer starken Konzentration der Aussage. "Das Einfache, das schwer zu machen ist". Dieser Brechtschen Weisheit versucht auch Krepp in seinem Schaffen nachzugehen.
- Erläuterung von Dr. Heinz Hoffmann
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Die Versöhnungstür von Siegfried Krepp am Berliner Dom
Erläuterung von Dr. Heinz Hoffmann
Die 1905 vollendete >Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin< ist ein Paradestück Wilhelminischer Pracht und Herrlichkeit. Aufwendig rekonstruiert, kündet der im zweiten Weltkrieg zerbombte und 1993 wieder eingeweihte Berliner Dom vom imperialen Machtanspruch und stilistischem Mischmasch einer Epoche, die im Elend des Ersten Weltkriegs versank. Im Inneren des Bauwerks erinnert nichts mehr an die Folgen schlimmer Verfehlungen deutscher Geschichte, hingegen alles an das machtvolle Bündnis von kaiserlichem Thron und Altar. Nichts stört das selige Vergessen der zahllosen Untaten und Verbrechen, die unter Berufung auf Gott und Gottes Willen geplant und ausgeführt wurden. Wie selbstverständlich behauptet der Dom heute erneut seinen Platz als gotteshäusliche Immobilie einer Personalgemeinde sowie als blendende Kulisse und vielbegehrter Erscheinungs- und Auftrittsort kirchlicher und staatlicher Mandats- und Würdenträger.
Die Taube ist seit Jahrtausenden ein Symbol der Friedfertigkeit. Aus dem Volk Israel stammt die Überlieferung von der Taube, die Noah nach der Sintflut ausschickte und die mit einem Ölblatt im Schnabel zurückkam. Die Flut ging zu Ende und die Chance eines neuen Anfangs war gegeben. Die christliche Tradition hat die Taube zum Sinnbild des Heiligen Geistes gemacht, der >creator spiritus< ist ein schöpferischer Geist, der Menschen verwandelt und zusammenbringt.
Das vorliegende Heft will einladen, die Fülle des Dargestellten zu entziffern und einzuordnen. Erst dann wird sich erschließen, was der Bildhauer im Blick auf die jüngere deutsche Geschichte und den Neuanfang 1945 gemeint hat.
Er gestaltete es als Relief, das kompositorisch eine Einheit ist, wie sie uns aus manchen historischen Portalen - darunter auch am Berliner Dom - bekannt sind. Eins bedingt das andere, eins geht in das andere über. Und die gegenseitigen Entsprechungen - vom Auszug bis zum Wiederkommen durch alle Irrwege - bilden den Gesamt-Kontext. Ihm wollen wir nachgehen. Beginnen wir in der oberen linken Ecke, Dargestellt ist ein Abschied. Um im Gleichnis zu sprechen, das der Künstler dem Entwurf zugrunde legt (Lukas 15): Der Sohn verlangt vom Vater sein Erbteil und zieht in die Fremde. Eine kleine, unscheinbare Szene, die erst später ihre Entsprechung im unteren Teil der Tür findet: beinahe vollplastisch herausgearbeitet ist die Gestalt des Heimkehrenden, der auf die Knie fällt.
Von nun an geht es "abwärts". Direkt unter der Szene des Abschieds ist die Situation des Streits zu sehen. Zwei Gestalten gehen handgreiflich aufeinander los. Der Tisch, der doch eigentlich ein Ort der Verständigung und der Kommunikation sein sollte, wird zum Austragungsort von Zank und Auseinandersetzung. Mangelnde Friedens- und Lernfähigkeit von Gruppen sind die eigentlichen Wurzeln der >großen< Konflikte. So ist auch die Konsequenz - jenseits aller großen Kriegsmaschinerie und Zerstörungspotentiale - am rechten Bildrand in höchst individueller Weise wiedergegeben: im "Brudermord", wie er auf den ersten Seiten der Bibel exemplarisch beschrieben ist: "Da erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot" (1. Mose 4,8)
Noch einmal zurück zum Ausgangspunkt des Abschieds. Auch nach der rechten Seite geht es abwärts: Der Ausziehende gerät in den Sog der Masse. Augenfällig ist ein Meer von Fahnen und mittendrin ein Redner, der die Heranströmenden fasziniert. Wer jemals Original- Tonaufnahmen von schneidenden agitatorischen Reden und dem Toben der Menge gehört hat, die chauvinistischen, nationalsozialistischen oder ähnlichen Parolen erlegen ist, der wird diese Verführungsgewalt nie vergessen. Auch Josef Goebbels hat seine Karriere der suggestiven Rede zu verdanken, zunächst in bürgerkriegsähnlichen Zuständen vom fahrenden Mannschaftswagen aus, später im Studio des gleichgeschalteten Rundfunks oder bei der Bücherverbrennung und am Ende in der berüchtigten Sportpalast-Rede: Wollt ihr den totalen Krieg?
Unmittelbar unter der Massenszene fügt sich ein weiteres Motiv an: Menschenmengen vor Flammen. Scheiterhaufen spielen in der Geschichte der Mächtigen immer wieder eine verhängnisvolle Rolle. „ Ketzer und Hexen“ mussten brennen. Für die Nazizeit hat der Künstler die Begebenheit ausgewählt, die sich unweit von hier, einige hundert Meter entfernt auf dem Opernplatz abgespielt hat. Erich Kästner erinnert sich: „Es war für Deutschland und die Welt keine gute Stunde. Die Feuer brannten, sie loderten in jeder deutschen Universitätsstadt. Die Studenten hielten in brauner Uniform die Ehrenwache. Sie sahen zum Scheiterhaufen hinüber und kehrten ihrer >alma mater< den Rücken. Und die Standbilder der Brüder Humboldt am Haupttor. > nur wenige haben damals geahnt oder gewusst, dass es nach den brennenden Büchern zu den brennen Synagogen, den brennenden Städten und den Öfen von Auschwitz kommen musste.
Eine ganze Folge von Szenen ist dem Leid und dem Martyrium gewidmet, Gitterstäbe bezeichnen Kerker und Gefangenschaft. Millionenfaches Leid ist uns in Schicksalen von Persönlichkeiten unterschiedlicher weltanschaulicher, politischer oder konfessioneller Herkunft überliefert.
Leidenskameraden bergen einen Verwundeten oder Toten - Samariterdienst unter Opfern. Daneben ein Aufgehängter, der uns nach vielen Gekreuzigten und DEM Gekreuzigten fragen lässt. Eine Reihe von Gefangenen ist zu sehen, davor ein breitbeiniger uniformierter Scherge, der seine Macht auskostet.
Noch heute ist auf dem Gelände des ehemaligen Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück eine Walze zu sehen, wie sie die Häftlinge bei Straßenarbeiten ziehen mussten. Viele waren vor Erschöpfung dem nicht mehr gewachsen. Ausweglos ist die Lage dessen, der verführt, mißbraucht und ohne Orientierung zurückbleibt. In einem Chaos von Trümmern, Flammen und einer zerschossenen Kanone sitzt eine Gestalt, den Kopf in die Hände gestützt. Sie erinnert an ein bekanntes Dokumentarfoto von einem Soldaten, der über Gefecht und Zusammenbruch auf dem Schlachtfeld den Verstand verloren hat. Sinnlos zum Kanonenfutter gemacht, hat er das Kriegsgeschehen doch mitgetragen. Unter dem Ansturm der Geschütze ist die Mauer, die Grenze zum Nachbarland zum Einsturz gebracht, Unaufhaltsam ist die Aggression, am rechten unteren Bildrand schließt sich das Motiv an, dem wir oben begegnet sind. „Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde“. Und der Verzweifelte mag antworten: „meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte“. (1.Mose 10 und 13) Das Leid ist nicht zu Ende. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Der Krieg fällt auf den Aggressor zurück und zeigt sich in dem riesigen Zug der Flüchtenden, Vertriebenen, Ausgebombten und Entwurzelten. Die Erinnerungen an den >Treck< sind bei den Älteren unter uns unauslöschlich. Wer ist Täter? Wer ist Opfer? Für die Komposition der ganzen Tür ist bemerkenswert, wie der Flüchtlingsstrom (zum linken Bildrand) der Massensuggestion entspricht, die wir am oberen Feld sahen. Die Masse ist namenlos. Die großen Ströme sind anonym. Erst im Einzelschicksal wird das Elend sichtbar und greifbar. Ihm wenden wir uns im Folgenden zu, wo es um die stark plastischen Gruppen im unteren Drittel der Tür geht.
>Auf der linken Seite< - so hat es der Bildhauer in einer Fernsehsendung gesagt - >habe ich eine Gruppe von Frauen, wozu mich ein persönliches Erlebnis angeregt hat. Ich hatte das Glück, dass mein Vater aus Erkrankungsgründen als nicht wehrdienstfähig eingestuft wurde. Aber wir hatten eine Nachbarin. Diese Frau hatte bis in den Januar/Februar von ihrem Mann (ihr Mann war Soldat) Post bekommen und das war eigentlich schon irgendwo aus Schlesien her. Sie hatte von ihm nie wieder etwas erfahren. Ich erinnere mich an ihr Dasitzen. Sie glaubte ihren Mann schon fast zu Hause. Aber wie viele sind in den letzten Monaten noch umgekommen; sind durch diese Kriegswalze zerfetzt, verstümmelt, namenlos geworden...“
Auf der rechten Seite eine Gruppe von Heimkehrern, erfroren, zerlumpt, gedemütigt. Auch solche hat der 15 jährige Siegfried Krepp gesehen und hat bei der bildnerischen Umsetzung auf Dokumentarfotos zurückgegriffen. Wir kennen viele dieser Art, in langen Kolonnen werden Gefangene abgeführt. Viele sehen ihre Heimat nie wieder. Helmut Gotwitzer hat eines der wichtigsten Bücher über diese Zeit geschrieben ..und führen wohin du nicht willst“. Er kehrte am 31. Dezember 1949 aus Russland zurück und wurde später als Theologieprofessor in Bonn und Berlin mit seiner Frau Brigitte prägend in der Studenten- und Friedensbewegung und in der Aktion Sühnezeichen, ein Beispiel friedfertigen Umdenkens im Gegensatz zu vielen Unbelehrbaren.
Beides - unwiederbringlicher Verlust und Chance des Neubeginns - drängen auf eine Lösung, die auch in der plastischen Konzeption deutlich wird. Sie liegt in der mittleren Gruppe von Vater und Sohn, die den Bogen zurückschlägt zum Auszug. Der zentrale Satz aus der biblischen Geschichte lautet: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße“ (Lukas 15,21). Der Kniefall des einen und die behutsam ausgestreckte Hand des anderen lassen sowohl das Ausmaß der Schuld als auch die Suche nach Versöhnung ahnen und entlassen den Betrachter mit der dringlichen Frage nach dem eigenen Handeln. Jürgen Henkys hat einmal in einer Andacht die Linie zum berühmten historischen spontanen Kniefall Willy Brands in Warschau ausgezogen. Der Dom hat Jahrzehnte die Beschädigungen und Wunden des Krieges gezeigt. Seine Wiederherstellung im Äußeren und seine originale Restaurierung im Inneren dürfen keine restaurativen, nostalgischen Gefühle aufkommen lassen. Das bleibt der Sinn und Auftrag der unbequemen "Versöhnungstür".
- Bewegung als Zustand
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BEWEGUNG ALS ZUSTAND
Bemerkung zu den „Ringenden“
Seit den siebziger Jahren hat Siegfried Krepp immer wieder auf das Motiv der Ringenden zurückgegriffen. Inzwischen ist zu diesem Thema eine ganze Werkgruppe entstanden, die nicht nur unterschiedliche Werkgruppen vorweist, sondern auch eine Zunahme an bildnerischer Härte und Entschiedenheit deutlich macht. Thematisch haben diese Arbeiten sicher ihren Ausgangspunkt in dem 1967/69 entstandenen Relief für die deutschen Spanienkämpfer. Das längst empfundene Bewusstsein von dem Verhängnis ungeteilter Macht und der Tragik des zum Scheitern verurteilten Kampfes um Gerechtigkeit und Gewaltenteilung ist hier zum ersten Mal künstlerisch von ihm formuliert worden. Vor dem Hintergrund des Prager Frühlings und seinem Ende, der in den darauffolgenden politischen und kulturpolitischen Auseinandersetzungen hatten diese Fragestellungen für Siegfried Krepp an Bedeutung gewonnen.
Was in den Spanienreliefs in Gruppen die Spannung zwischen bedrohlicher Ruhe und Bewegung, zwischen militärischer Ausgerichtetheit und spontanem menschlichen Veränderungswillen schlaglichtartig als bildhafte Konstellation von Kräftegruppen geformt ist, erhält im Motiv der ringenden Zweiergruppen eine andere Dimension. Die konkrete Bezugnahme auf einen Anlass ist der allgemeingültigen Aussage gewichen. Das Motiv ist zur Parabel geworden. Das Ringen der Kräfte um Erhalt und Veränderung von Zuständen in all seiner Wechselseitigkeit und Widersprüchlichkeit ist übergreifendes Problem ebenso wie künstlerisches im engeren Sinne.
Die verschiedenen Fassungen zeigen unterschiedliche Konstellationen In kaum entflechtbaren Verschränkungen fallen die Ringenden unaufhaltsam, verknäult gemeinsam, entgegen dem eigenen Widerstand. Oben und unten scheinen im Fall drehend zu wechseln.
Der Sieger bleibt aus.
Stärker auf gegensätzliche Positionen ausgerichtet sind Figuren anderer Fassungen, die wertfrei, aber in der Assoziation auf sportliche Fairness zielende Bezeichnis offenbart in Wahrheit das Gegenteil: Der Kampf kennt weder Rücksicht noch Gnade. Der längst wehrlose Unterlegene bleibt weder der Kraft des scheinbaren Siegers ausgeliefert. Fairness ist untergraben. Es gibt keine Grenzen. Die Macht ist zum Frieden nicht bereit. Die Ringenden sind Täter und Opfer und bedingen zugleich einander. Der Gestürzte bedingt den Stehenden. Die innere Unbeugsamkeit des einen erhellt die Schonungslosigkeit des anderen. Kain ist ohne Abel nicht denkbar. Das Motiv des Stürzenden von 1974 gehört in die Gruppe dieser Arbeiten. Das stumme „aufrechte“ Fallen bleibt stille Klage und Bekenntnis der Unbeugsamkeit. Hier bleibt auf eine Figur beschränkt, was im Kräftespiel der Zweiergruppen in aller Zuspitzung ausgereizt ist: das Gegeneinander von Ruhe und Bewegung, von Fallen und Stehen. Die in der frühen Komposition „Turnende Jungen“ von 1959-61 ausgeformte Wechselseitigkeit gegeneinander laufender und in der Gesamtform aufgefangener Kräfte ist in einem anderen Sinne ausgenutzt. Die einst gefundene spielerische Leichtigkeit, geboren aus dem Wechsel positiver und negativer Formen, erfährt in den Gruppen von Ringenden eine Steigerung, die auf Existentielles verweist. Sie beruht auf einer gleichsam lautlosen inneren Dramatik, die von der Gesamtheit der auf Einfachheit und Ruhe zurückgeführten Grundform getragen wird.
Der Wechsel von Labilität und Stabilität ist in der zum Zeichen zusammengefassten Form des stumpfen Dreiecks einer Figurenpyramide einerseits und der steilauf-und absteigenden Spirale andererseits vereint. Bewegung ist darin als Zustand festgeschrieben: Gesellschaftliches Ringen ohne die Illusion eines triumphalen Sieges.
Anita Kühnel
- Das Licht leuchtet in der Finsternis
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Das Licht leuchtet in der Finsternis
Bronzeportal zur Ehrung Meister Eckharts übergeben.
Von Brigitte Peukert
„Für mich habe ich die Hoffnung, dass das, was ich geschaffen habe, auch als ästhetisches Gleichnis in die Zukunft wirken möge.“ Diesen Wunsch äußerte gestern der Berliner Künstler Siegfried Krepp, dessen kürzlich installierte Bronzetafeln am Nordportal der Predigerkirche an einen der bedeutensten Söhne Erfurts erinnert; Meister Eckhart, den Theologen und Philosophen von Weltrang, dessen Gedanken noch heute im interreligiösen Dialog in Europa eine wichtige Rolle spielen.
Der 1260 in Hochheim Geborene wurde um 1285 in Erfurt zum Priester geweiht und als 34-jähriger Prior des Predigerklosters. Hier hielt er seine berühmten „Reden zur Unterweisung“, äußerte seine mystischen Unterweisungen nicht nur in Gesprächen mit Klosterschülern, sondern auch mit Bürgern der Stadt.
„Das Licht leuchtet in der Finsternis - und die Finsternis hat es nicht erfasst, in memoriam Meister Eckhart 1260 - 1327“.
So steht es in strengen Lettern auf den beiden Flügeln des Bronzeportals. Reliefartig hervorgehoben, umgeben von labyrinthartigen und doch klaren „Gedankenlinien“. Ein Zwischenstück aus mattem Glas trennt und verbindet die beiden Teile, lässt das Tageslicht ins Kircheninnere, in die „Finsternis“ fallen.
Ein langer Weg war es allerdings bis dahin, denn schon 1991 gewann Siegfried Krepp, der zum Beispiel das Südportal des Berliner Domes gestaltete, den Wettbewerb, der anlässlich des Stadtjubiläums zu Ehren Meister Eckharts ausgeschrieben worden war. (Sein Sohn goss es in Bronze und 1992 war das Kunstwerk fertig). Das war es dann für sieben Jahre. Denn die Denkmalpflege wollte eine Musterachse an der Kirche, für Untersuchungen zu weiteren restauratorischen Maßnahmen. Einbezogen war auch das gotische Portal, in dem das Kunstwerk Krepps seinen Platz finden sollte. Dies dauerte bis zum Herbst 1998.
Durch Veränderungen am Portal, dessen Gewände mit Unterstützung des Lions Clubs „Meister Eckhart“ saniert wurden, mussten die Tafeln erneut angepasst werden.